Zuspruch zum Pfingstfest 2018

Die Weisheit ist die erste der sieben Gaben des Heiligen Geistes. Der kürzlich verstorbene Kardinal Lehmann sagt dazu:

„Weisheit“- das klingt für unsere Ohren heute ein wenig altmodisch. Cleverness – das ist ein Wort von heute. Cleverness, eine Portion Schlitzohrigkeit: das zählt in unserer Gesellschaft, das braucht man, wenn man voran kommen will, wenn man etwas darstellen will in den Augen der anderen.

Aber Weisheit und Cleverness haben so gut wie nichts miteinander zu tun. Die Frage des Cleveren heißt: Wie kann ich etwas aus mir machen? Wie stelle ich es an, dass ich am Besten dastehe? Die Weisheit fragt ganz anders: Wie kommt Menschsein zur Erfüllung? Was ist zu tun, dass ich – und alle anderen – ganz Mensch sein können?

Die Weisheit öffnet unseren Blick für den anderen. Sie hat ein Interesse am Menschen. Ihr Ort ist darum nicht zuerst der Kopf, schon gar nicht der Ellbogen, sondern das Herz. Wir können uns mit Fleiß und Verstand gelehrig machen. Wir können viel Wissen sammeln und gescheite Menschen sein. Aber Weisheit können wir uns nicht einfach erwerben, sie muss uns geschenkt werden. Gott legt uns die Weisheit ins Herz, ja sie ist, wie es die Väter sagen, der göttliche Funke, der im Antlitz des Menschen das Ebenbild Gottes erscheinen lässt. Der heilige Irenäus von Lyon sagt: „Gott ist der Ruhm des Menschen, der Mensch aber ist Gefäß der Schöpferkraft Gottes, seiner Weisheit und Kraft.“ Im Heiligen Geist wird uns die Gabe der Weisheit ins Herz gelegt. Sie möchte uns bewegen, dass wir uns mit der Schöpferkraft Gottes, mit Kreativität einsetzen für den Menschen, dass Menschsein für alle möglich ist, dass Menschsein zur Erfüllung kommt.

Der Text stammt aus der Renovabis-Pfingstnovene „Die Gaben des Heiligen Geistes“ von 1996

Zusammengestellt von Gerhard Waigand

Beitragsbild: Tympanon von „Eglise de Perse“, Espalion (Frankreich), via podiensis (Jakobsweg Le Puy). Bild: Père Igor aus Wikipedia