Zum Start in die neue Pilgersaison

Eine kurze Geschichte des Jakobsweges

Ursprünglich waren Jerusalem und die Apostelgräber in Rom die ersten Pilgerziele der Christenheit. Nach und nach entwickelten sich weitere Pilgerzentren überall dort, wo man bedeutende Heilige verehrte. So erfreuten sich beispielsweise der Heilige Martin in Tours oder die Heilige Magdalena in Vézelay großer Sympathie und Verehrung.

Aber im 9. Jahrhundert gesellte sich ein neues Pilgerziel zu den bereits bekannten Pilgerorten hinzu: der Heilige Jakobus in Santiago de Compostela in Galizien. Dieser Ort sollte in den folgenden Jahrhunderten zu einem der bedeutendsten Pilgerzentren werden.

Seit Beginn des 9. Jahrhunderts berichtet man vom Auffinden seines Leichnams, der auf wundersame Weise in Spanien an der Küste Galiziens gelandet sein soll. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich schon die Kunde von der Missionierung Spaniens durch den Heiligen Jakobus ausgebreitet und galt als verbürgt.

Zunächst handelte es sich in den Anfängen der Verehrung des Heiligen Jakobus um ein regionales Phänomen, wurde die Verehrung doch durch das Vordringen des Islam zunächst stark gebremst. So wurde im Jahre 997 die erste Kirche zerstört und die Stadt Sanitago de Compostela dem Erdboden gleich gemacht.

Aber die im 11. Und 12. Jahrhundert beginnende Rückeroberung Spaniens ermöglichte den Pilgern wieder den Zugang zur Basilika und die von Alfons VI. wieder errichtete Kathedrale geriet immer mehr in den Mittelpunkt der Verehrung. Ganz wesentlich trug das Absichern der Wege zum Anschwellen des Pilgerstroms bei. Ritter, die an der Reconquista teilgenommen hatten, Mönche, kirchliche Würdenträger aber auch einfache Pilger strömten zum berühmt geworden Grab des Heiligen Jakobus.

Einen entscheidenden Impuls erhielt das Pilgern zum Apostel Spaniens durch das Engagement Clunys. Man organisierte den Weg durch Nordspanien durch Wegmarkierungen, Errichtung von Herbergen und Hospitälern, um die Pilger betreuen zu können. Das Wegenetz nimmt ab dem 12. Jahrhundert endgültig Gestalt an: Die Via Tolosana hatte ihren Ausgangspunkt in Arles und führte über Toulouse. Ein weiterer Weg begann in Le Puy und führte über Ostabat in Richtung Spanien. Die Via Lemovicensis begann in Vézelay und die Via Touronensis führte von Paris über Tours an die Pyrenäen. Sie alle vereinen sich in Puente-la-Reina zu einem einzigen Weg, den man traditionell als „camino francés“ (Weg der Franzosen) bezeichnet.

Das 13.Jahrhundert gilt als Höhepunkt der Pilgerschaft, da die Wege in Richtung Nordspanien ihre größte geographische Ausdehnung in Europa erreicht hatten. In Santiago, mittlerweile zur Erzdiözese aufgestiegen, zogen die Pilger in die prachtvolle, neu errichtete Basilika ein. Der „Porticus de la Gloria“ empfing schon zahlreiche Franzosen, Katalanen, Pilger aus Kastilien, zu denen sich nunmehr auch Engländer, Flamen, Deutsche, Ungarn und Skandinavier gesellten.

Im 15. Jahrhundert geriet das Pilgern allgemein in den Hintergrund, da sich die Frömmigkeit mehr und mehr verinnerlichte. Die Reformation führet zu einem starken Einbruch der Pilgerzahlen aus dem Norden Europas. Die Aufklärung sowie das Misstrauen aufgeklärter Monarchen gegenüber der Idee des Pilgerns brachten den Pilgerstrom mehr und mehr zum Versiegen.

Aber mitten im 20. Jahrhundert kam es zu einer unverhofften Renaissance der Pilgerwege nach Compostela. Viele Menschen aus Europa und aus aller Welt haben den Weg nach Santiago de Compostela für sich wieder entdeckt. „Der Weg ist das Ziel“ wird gerne und häufig plakativ getitelt. Es ist die Sehnsucht nach Langsamkeit, nach Ausbruch aus einem von Hektik und Reizüberflutung geprägten Alltag, nach einem einfachen Leben. Der „camino francés“ und die Herbergen entlang des Weges können die Masse der Pilger insbesondere während der Sommermonate kaum noch bewältigen.

 © G. Waigand

Text Nach Jean Chélini zitiert in „Livret culturel et spirituel du Pèlerin de Saint-Jacques sur la voie de Vézelay“ p.26/27 (Übersetzung G. Waigand)

Bild: (Jacobus Schüler bringen seinen Leichnam nach Spanien) in Joachim Schäfer – Ökumenisches Heiligenlexikon